27.09.2013 Neue Einblicke in die erste Verteidigungslinie unseres Immunsystems

Sie gehören zur ersten Verteidigungslinie unseres Körpers: Plasmazytoide Dendritische Zellen. Diese Zellen sind Teil unseres angeborenen Immunsystems. Treffen sie auf einen Krankheitserreger, werden sie von diesem aktiviert und schütten Botenstoffe aus, die das Immunsystem stimulieren. Damit spielen Plasmazytoide Dendritische Zellen, kurz pDCs, eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheiten - und auch in der Forschung: Wissenschaftler möchten die Regulationsmechanismen verstehen, um sie in Therapien gegen Virusinfektionen umwandeln zu können. Forscher am TWINCORE haben nun einen wichtigen "Regelknopf" dieses Systems untersucht.

 

Ein Alleinstellungsmerkmal der Verteidigungszellen pDC gegenüber allen anderen Dendritischen Zellen ist der Rezeptor Siglec-H. Er besitzt Erkennungsstellen für Kohlenhydratstrukturen von Viren und Bakterien und Wissenschaftler vermuteten bislang, dass die pDCs über diesen Rezeptor unterscheiden, ob es sich bei der angedockten Zelle um einen Krankheitserreger handelt oder nicht. Und sie vermuteten, dass dieser Siglec-H-Rezeptor ebenfalls die rasche und sehr effiziente Produktion der Botenstoffe - der Typ I Interferone  reguliert. Um diese Vermutung zu untersuchen, ist jedoch ein ganz gezielter Blick auf pDCs nötig. "Bisher war es sehr schwierig - fast unmöglich - die pDCs von den anderen Dendritischen Zellen während der Immunreaktion zu unterscheiden", sagt Franz Puttur, Nachwuchswissenschaftler am Institut für Infektionsimmunologie. Ihm und seiner Kollegin Catharina Arnold-Schrauf ist es gelungen, die Plasmazytoiden Dendritischen Zellen von Mäusen genetisch so zu verändern, dass sie dauerhaft rot leuchten. "Damit können wir erstmals während einer Immunreaktion tatsächlich ausschließlich die pDCs beobachten", so Franz Puttur.

 

"Um die Rolle von Siglec-H während einer Infektion aufzuklären, haben wir Mäuse mit dem Maus-Zytomegalievirus infiziert, das eine starke Interferonausschüttung verursacht", erklärt Catharina Arnold-Schrauf. Das Ergebnis dieser Untersuchung hat die beiden Wissenschaftler stutzig gemacht: Sie haben einen unerwarteten Rückgang der Siglec-H Moleküle auf der Oberfläche der pDC während der Infektion beobachtet. "Daraufhin haben wir uns das Geschehen nochmal mit pDCs angesehen, die keinen Siglec-H-Rezeptor tragen, aber ansonsten voll funktionsfähig sind", sagt Franz Puttur. Und wieder ein erstaunliches Ergebnis: Auch ohne den vermeintlichen Virenrezeptor Siglec-H springt die Immunreaktion heftig an. Die Interferon-Ausschüttung ist sogar drei Mal so stark wie mit dem Rezeptor. Allerdings ist die Verbreitung des Maus-Zytomegalievirus in den infizierten Organen mit und ohne Siglec-H gleich. Welche Rolle diese starke Interferon-Ausschüttung bei der Immunreaktion spielt, ist nur eine der viele Fragen, die diese Ergebnisse aufwerfen.

 

"Durch diese gezielte Betrachtung der 'ersten Verteidigungslinie pDC' müssen viele Annahmen der Vergangenheit neu überdacht werden und entstehen viele neue Fragen", sagt Tim Sparwasser, Leiter des Instituts für Infektionsimmunologie. "Gleichzeitig haben wir ein neues Werkzeug gefunden, mit dem wir die Regulationsmechanismen hinter der Interferonreaktion neu beurteilen und diese Fragen hoffentlich beantworten können."

 

 

Literatur:

Puttur F, Arnold-Schrauf C, Lahl K, Solmaz G, Lindenberg M, Mayer CT, Gohmert M, Swallow M, van Helt C, Schmitt H, Nitschke L, Lambrecht BN, Lang R, Messerle M and Sparwasser T (2013) Absence of Siglec-H in MCMV infection elevates Interferon alpha production but does not enhance viral clearance. PLOS Pathogen 9(9): doi: 10.1371/journal.ppat. 1003648

 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Tim Sparwasser, <link>tim.sparwasser@twincore.de
Tel: +49 (0)511-220027-201